… und nur noch 5 Jahre, bis Mauerfall und Existenz der DDR gleiche Zeiträume umspannen. Die “Neuen Länder” werden wohl immer noch “Neu” sein, exotisch.
Etwa jetzt, vor 35 Jahren – Donnerstag, 9. November 1989:
Bin spät von der Schule nach Hause gekommen. Bis halb acht haben wir uns (so ne Gruppe üblicher Verdächtiger) die kurz zuvor veröffentlichten “Schwierigkeiten mit der Wahrheit”, eine autobiographische Doku über den Prozess gegen Walter Janka, reingezogen (https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Janka). Janka war Dramaturg, wichtiger Kopf bei der DEFA, hat die “Mephisto”-Verfilmung mit angeleiert … spannend.
Zuhause bin ich fix im Bett gelandet. Irgendwann, kurz nach acht, kommt meine Mutter an: in der Tagesschau hätte es geheißen, die Mauer sei auf. Ich: Okay. … Es war einfach zu unreal oder nicht spannend genug, keine Ahnung: es hat mich nicht wach gemacht.
Am nächsten Morgen, Mopedparkplatz unserer Schule: ein Typ aus ner anderen Klasse kommt mit Motorrad gerade von der Grenze bei Marienborn, so 35km von Magdeburg. Ist morgens mal fix rüber und zurück gefahren.
Nachmittags dann mit den Persos der Familie bei der VoPo am Bruno-Taut-Ring angestanden: man bräuchte Ausreisevisa. Um 18 Uhr soll die Dienststelle schließen. Das sehen die paar Dutzend verbliebenen Reiselustigen anders, ich auch. Wir gehen keinen Schritt aus dem Flur, den Büros – ist schließlich Herbst 89!
Meine Eltern fahren Samstag und werden ohne es zu ahnen über die nächsten Wochen Teil einer Familienzusammenführung: eine Mutter, die 1961 durch den Mauerbau ihr Kind verliert, bekommt von unserer Mutter nun, fast 30 Jahre später, wieder Kontakt zu ihrem Sohn. Hollywood-reif, naja, oder Babelsberg.
Ich fahre mit Freunden am Sonntag. Begrüßungsgeld, Plattenläden in Helmstedt. Als der Service zu wünschen lässt, stecke ich U2s “October” in meine Jacke, gehe raus und spare mir die 20 DM oder so – es ist Herbst 89, also …!
Fotos: Stau an der Autobahn bei Magdeburg (heute A2), ich meine es war die Brücke bei Hohenwarsleben, am 11. (oder 12.?) November; auf etwa 40km war praktisch nur eine Richtung mit Autos voll, das Video zu “Go West” hätte da gedreht werden können. – Mein Perso mit den Stempeln – darf mich vom 10.11.89 bis 09.05.90 in der BRD aufhalten (genaugenommen: die DDR verlassen UND zurückkommen) – Zweimal Begrüßungsgeld: n Hunni in Helmstedt, und nochmal insgesamt 90 von den Bayern und der Stadt München. Ja, geschröpft hamer’s!